Ich war erst kürzlich zugezogen - um genau zu sein in den Winterferien, welche bis vor einer Woche noch aktuell waren. Warum ich mich ausgerechnet für diese scheinbar trostlose, stinklangweilige Kleinstadt entschieden hatte? Weil ich anstrebte, eben genauso stinklangweilig zu sein - und wenn dieser Schein auch nur für ein paar Momente reichte, in welchen er mich übers Ohr haute.
Ich war die letzten Jahre ausschließlich auf Reisen gewesen und hatte wohl mehr gesehen als ein gewöhnlicher Mensch in seinem gesamten befristeten Dasein. Zuletzt war ich in China gewesen, wohnte dort für ein paar Wochen in einem Hotel und lernte viele schöne Chinesinnen kennen - ja, es hat mich auch ein wenig verwundert, doch die gab es. Ich schien solche Frauen förmlich magisch anzuziehen.
Leider musste ich am Ende eine Dame kennen lernen, für die ich fast bereit war, eine Beziehung einzugehen ... trotz aller Risiken. Ja, ich liebte sie. Wir hatten uns in der Warteschlange für ein Theaterstück kennen gelernt. Abschied nehmen mussten wir dann allerdings, als ich sie in meiner Unkontrollierbarkeit vollkommen blutleer saugte.
Die unbändige Sehnsucht, die du empfindest, wenn du liebst - sie wirkt sich als Vampir nicht nur darauf aus, dass du deines Partners Stimme hören, ihm nahe sein, ihn riechen möchtest - nein, als Blutsauger bist du ihm nie wirklich nahe genug, solange du nicht ... deine Reißzähne in seinen schönen zarten Hals bohrst ...
Dieses grausame Erlebnis, aus welchem ich erwachte wie aus einem Traum, brandmarkte mich sehr und jagte mir tiefe Angst ein; Angst zu lieben.
Ich war eine Persönlichkeit mit 2 Gesichtern: Mir, Rick - und dem Monster in mir, das selbst der wichtigsten Person in meinem Leben Schaden zufügen wollte. Doch konnte ich womöglich mit den Menschen einher leben, ohne jemandem zu schaden - solange ich nicht zuließ, dass ich mich verliebte. Und wenn es so kommen sollte, dann würde ich dieser Stadt den Rücken kehren, bis jene Frau letztlich eines ihr vorbestimmten Todes starb. Das hatte ich mir zumindest fest vorgenommen.
In Wahrheit wollte ich wirklich nur eins mit den Menschen sein. Meine Artgenossen, welche ich im Laufe der Jahrhunderte kennen lernte, schienen ihr Ich vollkommen für das Monster aufgegeben zu haben. Sie gaben mir nichts. So bevorzugte ich es lieber, eine Lüge zu leben.
Jaja, Day one - wie ich es gewohnt war, schossen mir einige neugierige Blicke hinterher, als ich zum ersten Mal die klinisch weißen Flure der Mystic Falls High School betrat und eine Spindnummer ansteuerte, wo eine gewisse Caroline Forbes auf mich warten sollte. Die Gute wurde mir vom Rektor zugetragen, dass sie mir meine Bücher aushändigte und mir ein wenig Orientierung im Schulgebäude verschaffte - welch ein Service!
Auf dem Weg dorthin nahmen meine verschärften Sinne einige schmeichelhafte Aussagen um mich herum wahr, wie etwa "Wow, hast du gerade gesehen, wie geil der Typ aussah?!" oder "Ich glaube, er hat mich eben angesehen!" Mit einem leichten kopfschüttelnden Grinsen bewegte ich mich also in meinem gewohnt gemächlichen Gang durch den Flur, bis - WUMMS - eine Blondine direkt in mich hinein lief.
Dabei fiel ihr ein Haufen von Büchern zu Boden - ich bückte mich natürlich ohne zu zögern und stapelte diese in meinen Armen. Ich legte nun den Kopf leicht schief, als ich diese zarte zierliche Gestalt mir gegenüber musterte, und schenkte ihr ein besänftigendes Lächeln. "Du musst Caroline sein, hm? Man hat mir dein Bild gezeigt. Also hi, ich bin Rick!", stellte ich mich aufgeschlossen vor.
Doch bereits nach ein paar Sekunden stellte ich fest, dass mein Empfinden gegenüber Caroline Forbes ein anderes war ... ihr Blut verführte mich nicht. Da sie allerdings auch nicht bestialisch nach Hund roch, konnte sie nur eine meinesgleichen sein. Wir schienen es beide im gleichen Moment zu realisieren, als wir vielsagende Blicke austauschten.