Kaum fünf Minuten auf menschlichem Boden entdeckte mich die damalige Beiwohnerin des Hauses. Vermutlich hatte sie das Rascheln der sonderbaren Haushaltsgeräte vernommen, das ich in meiner überwältigenden Faszination beim höchst interessierten Schütteln, Drehen und Wenden derer erklingen lassen hatte.
Noch nie hatte ich mich mit diesen Instrumenten ausgekannt - und das, wobei ich mein ganzes Dasein bereits damit zugebracht hatte, menschliche Leben aus einer anderen Dimension von Anfang bis Ende mitzuverfolgen. Nie im Leben hatte ich damit gerechnet, einmal in den Genuss zu kommen, einen wahrhaftigen Löffel, einen Kartoffelschäler oder dergleichen berühren zu können. Den allerwenigsten meiner Art war es nämlich gegönnt, den Menschen tatsächlich einen Besuch abzustatten. Ich allerdings hatte das Glück, eine vollkommen bedeutsame Mission hier auszuführen.
Doch fürchtete ich, dass mich die Menschen nicht als einen ihresgleichen identifizieren würden. Natürlich kannte ich die Menschen - doch da meine Seele nicht menschlich war, konnte ich die wenigsten ihrer Verhaltensweisen nachvollziehen.
Als die Dunkelhaarige mit Namen Serena, ja das wusste ich, in übermenschlicher Geschwindigkeit auf mich zuschnellte und mir an die Kehle ging, verspürte ich selbstverständlich nicht mal einen Hauch von Angst. Manchmal fragte ich mich, ob wir überhaupt in der Lage waren, Angst zu empfinden, denn in unserer Welt waren wir entgegen den Menschen ja keinerlei Gefahren ausgesetzt?
Auch hier war die Situation keine andere - denn falls Serena ihre Worte wahr machte und mich tatsächlich tötete, geschehe nichts anderes, als dass ich mich in schwarzem Rauch auflöste und in meiner wahrhaftigen Gestalt in meiner Dimension wieder erschien. Und ich war jederzeit in der Lage, zurück zu kehren.
Dennoch bemühte ich mich natürlich, die menschlichen Verhaltensweisen aus meinen Erinnerungen möglichst abzukupfern und weitete meine Augen irritiert, sowie erschrocken bei ihrer kleinen Drohung. “Nein, bitte Lady, tun Sie mir nichts zuleide“, stammelte ich unsicher dahin - diese Emotion war tatsächlich von Aufrichtigkeit, doch rührte meine Nervosität lediglich daher, dass ich zum allerersten Mal mit einem Erdenwesen kommunizierte. Bislang hatte ich sie bloß getötet - ihr wisst schon; Herzinfakte, Tumore, Verkehrsunglücke, manchmal sogar Tsunamis ...
Natürlich suchte der menschliche Verstand nach einem guten Grund dafür, mich hier angetroffen zu haben. Also fügte ich außergewöhnlich trocken hinzu: “Ich schäme mich sehr dafür, doch hat mich meine Frau auf die Straße gesetzt und Arbeit konnte ich noch keine finden. Ich habe davon gehört, dass diese Behausung leer steht und Unterschlupf gesucht.“ Gut gemacht, Alaxad! Wie kamst du nur so schnell auf diese vollkommen authentische Menschengeschichte? Ich schätzte, ich war ein Naturtalent!
“Ich habe kein Geld und fürchterlichen Hunger. Wollen wir etwas speisen?“, waren dann die nächsten Worte, die ich ahnungslos unverblümt an sie richtete. Mir war in diesem Moment absolut nicht bewusst, dass es als außerordentlich unverschämt galt, zunächst unbefugt in einem fremden Haus zu übernachten und anschließend dazu einzuladen, sich selbst zum Essen einzuladen. Hätte man es mir mitgeteilt, hätte ich es wohl ohnehin nicht verstanden, denn wenn jemand hungerte, berührte es menschenähnliche Wesen doch meist ungemein.
Ich wurde natürlich vorab informiert, dass Serena kein Mensch war - allerdings sollte sie meist dazu neigen, sich ähnlich zu verhalten. Zu guter letzt probte ich mein allererstes Lächeln! Dieses wirkte ungeahnt ausdruckslos und wirkte gar arrogant, da ihm die Wärme vollkommen fehlte. Doch ich hatte es versucht. Damit sie mir vertraute.